Interview Helmut Kohl - das Interview 5/6
Interview Helmut Kohl - das Interview 5/6
„Ich musste den Euro durchsetzen, gegen das Gerede zu Italien und Griechenland“ – das letzte große TV-Interview von Helmut Kohl. Bis Sonntag, 29. März zeigt dbate.de jeden Tag eine neue Folge des Interviews.
Stolz auf den Euro, Abfälliges über Parteifreunde, Bekenntnisse zum Freitod von Ehefrau Hannelore – zum 85. Geburtstag von Helmut Kohl veröffentlichen der NDR und dbate.de große Teile eines viertägigen Interviews von 2003.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Eurokrise sind vor allem die bislang unveröffentlichten Aussagen des Altkanzlers zur Währungsunion aufschlussreich. Helmut Kohl sprach in dem Interview ausführlich darüber, wie er sich bei der Einführung des Euro über die Warnungen von Wirtschaftswissenschaftlern hinwegsetzte. Wörtlich sagte er: „Ich musste es durchsetzen… Es gab damals ja Gerede, eine Währung, in der Italiener und Griechen dabei sind, kann niemals eine ordentliche Währung werden.“ Und: „Eine Volksabstimmung über die Einführung des Euro hätten wir verloren.“
Das Interview wurde von den Autoren Stephan Lamby und Michael Rutz an vier Tagen im Frühjahr und Herbst 2003 in Kohls Privathaus in Ludwigshafen-Oggersheim geführt. Die beiden befragten den Altkanzler als unabhängige Journalisten, nicht als Ghostwriter. Einige Passagen des Interviews wurden damals bereits in der NDR/ARD-Dokumentation „Helmut Kohl – ein deutscher Kanzler“ gezeigt, der überwiegende Teil des Interviews ist jedoch bislang nie veröffentlicht worden. Sehr abfällig äußerte sich Helmut Kohl vor allem über die Parteifreunde, von denen er sich während der CDU-Parteispendenaffäre schlecht behandelt fühlte. Norbert Blüm? „Der Mann ist mir völlig egal. Deswegen will ich überhaupt nicht seinen Namen in den Mund nehmen.“ Richard von Weizsäcker? „Mir fällt nichts mehr zu ihm ein. Überhaupt nichts“. Und Rita Süßmuth? „Alles, was sie wurde, wurde sie durch mich. Es gab immer wegen ihr Krach.“
Das ungewöhnlich umfangreiche Fernseh-Interview war jedoch weit mehr als eine Abrechnung. Helmut Kohl erzählte in bis dahin nicht bekannter Offenheit von seinem privaten und politischen Leben und berichtete dabei auch wenig bekannte Details zu seinem Aufstieg. Immer wieder hätten etwa Personen aus dem eigenen politischen Lager versucht, seine Wahl zum Bundeskanzler zu verhindern. Im Jahr 1979 sollte Helmut Kohl sogar weggelobt werden: „Franz Josef Strauß hat sich auf den Weg gemacht, um meine Kandidatur zu verhindern… Dann gab es eine ganz massive, kaum an die Öffentlichkeit geratene Welle der Unterstützung von wichtigen Leuten, ich solle Bundespräsident werden.“ Zu diesen „wichtigen Leuten“ gehörte, laut Kohl, auch der Verleger Axel Cässar Springer. Doch Helmut Kohl hielt an seinem Ziel, Bundeskanzler zu werden, eisern fest. Nach Kohls Darstellung haben kurz vor dem Regierungswechsel 1982 einflussreiche Kreise erneut versucht, seine Wahl zum Bundeskanzler zu verhindern: „Eine Reihe wesentlicher Repräsentanten des Bundesverbands der Deutschen Industrie traf sich mit einigen aus der FDP und waren sich einig, dass es eine Koalition von CDU/CSU und FDP geben müsse – aber nicht mit mir, weil ich zwar wirtschaftsfreundlich, aber nicht industriefreundlich sei.“ Der Kandidat seiner Gegner war, laut Kohl, der damalige CDU-Schatzmeister Walter Leiser Kiep. Ausführlich hat sich Helmut Kohl in dem Fernseh-Gespräch auch über den Freitod seiner Ehefrau Hannelore im Jahr 2001 geäußert. So sei ihm die Absicht seiner Frau, sich das Leben zu nehmen, bewusst gewesen: „Nicht der konkrete Moment. Aber wir haben ja darüber geredet. Dass sie darüber nachdachte, das wusste ich.“
Zum Schwerpunkt „Helmut Kohl“ zeigt dbate.de diese Woche:
INTERVIEW: „Hannelore Kohl – im Kanzlerbungalow“
TIPP: „Walter Kohl – im Schatten des Vaters“ (making of)
INTERVIEW: Richard von Weizsäcker-Interview
INTERVIEW: Hans-Christian Ströbele-Interview
Mehr dbate-INTERVIEWS gibt´s hier.
Veröffentlicht am: 28.03.2015 in Interview
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Andreas Elitezocker
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Redaktion dbate
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