Video Yildirim in Oberhausen: Videoblogger schildert seine Eindrücke
Video Yildirim in Oberhausen: Videoblogger schildert seine Eindrücke
Kamera verboten, aber Smartphone erlaubt: der Videoblogger „Cemcorder“ war bei dem umstrittenen Auftritt des türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim in Oberhausen. Im Video befragt er die Besucher zu Erdogan und schildert seinen Eindruck der Veranstaltung.
Direkt zu Beginn kündigt der Videoblogger an, dass er versuche, „so neutral wie möglich“ zu berichten. In seinem 11-minütigen Video erleben wir die Atmosphäre bei dem vieldiskutierten Auftritt des türkischen Ministerpräsidenten Yildirim. Yildirim war am Sonntag nach Oberhausen gereist um für ein Referendum, das am 16. April 2017 in der Türkei abgehalten werden soll, zu werben. Das türkische Volk soll darüber abstimmen, ob es selbst entmachtet wird und Präsident Recep Tayyip Erdogan weitreichende Befugnisse bekommt. Bei einem ‚Ja‘ könnte Erdogan quasi via Dekret regieren, den Notstand ausrufen und das Parlament auflösen. Die Chancen stehen derzeit gut, dass Erdogan und seine AKP mit dem Referendum Erfolg haben werden.
Zu der Veranstaltung in Oberhausen sind rund 8000 Menschen angereist – fast ausschließlich Erdogan-Anhänger. Ausgestattet mit rot-weißen Flaggen, Schals und Plakaten, rufen sie Yildirim enthusiastisch ihre Zustimmung entgegen. Sie alle wollen ein Präsidialsystem mit Erdogan an der Spitze.
„Gehst Du auch zu ´ner Merkel-Veranstaltung mit ´ner deutschen Flagge?“
Cem T. blickt in seinem Videobeitrag in die Menge und staunt. Anschließend fragt er draußen vor der Eventlocation verschiedene Besucher, ob sie auch mit Deutschland-Fahne zu einem Merkel-Auftritt gehen würden. Die einstimmige Antwort: „Nein“. Viele Teilnehmer stammen zudem nicht aus Deutschland, sie sind sogar aus verschiedenen Anrainerstaaten angereist. Warum haben sie die lange Fahrt für diese Veranstaltung auf sich genommen und wie werden diese Reisen eigentlich organisiert?
Eine dringende Frage bleibt in dem Video unbeantwortet: Muss unsere Demokratie es aushalten, dass ein türkischer Ministerpräsident Werbung für eine Politik macht, die Presse- und Meinungsfreiheit mit Füßen tritt?
Das sagt „Cemcorder“ über sein Video vom Yildirim-Auftritt
In einem Kurz-Interview, das dbate mit Cem T. zu seinem Video geführt hat, sagt der Videoblogger:
„Ich bin davon ausgegangen, dass die meisten Berichterstatter sich auf das Referendum konzentrieren werden und das ist auch gut und wichtig. Aber was mich interessierte war die Frage, wieso junge „Türken“, die ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben, so eine emotionale Beziehung zur Türkei haben können und sich eher für eine politische Partizipation in der Türkei einsetzen, statt sich mit akuten Themen in Deutschland zu beschäftigen. Da drängen sich natürlich viele Themen auf: von Zugehörigkeit, Nostalgie, Heimat – aber natürlich auch ein Versagen der deutschen Gesellschaft. Und egal wie man zu den AKPlern, Nationalisten etc. in Deutschland steht: Sie sind nun einmal Mitbürger und ich finde den Austausch und Diskurs mit ihnen sehr wichtig. Denn nur über den Diskurs kann an eine gegenseitige Annhäherung stattfinden. Ansonsten werden sie noch weiter in die Ecke gedrängt und das könnte zu einer weiteren Radikalisierung führen.“
Auf die Frage, was ihn am stärksten auf der Veranstaltung beeindruckt hat, antwortet er:
„Man muss sagen, dass die Organisation sehr gut geplant und exekutiert war. Fast alle Besucher wurden kostenlos mit Bussen, die von der UETD finanziert wurden, aus ganz Deutschland, Belgien und Holland nach Oberhausen gebracht. Wenn man sich die Gegendemonstration anschaut, die mit knapp 500 Menschen sehr mager ausfiel, versteht man auch die Relation. Es zeigt, dass auf der einen Seite eine klare Ideologie vorliegt, die strukturell Mechanismen aufgebaut hat und sich natürlich auch u.a. durch die Moscheen und Relgionshäuser organisiert, während die „Gegner“ viel gespaltener sind. Wenn man diese Mobilisierung dann erlebt, hat es natürlich auch etwas einschüchterndes.“
Mehr Infos zu „Cemcorder“ findet Ihr u.a. hier.
Veröffentlicht am: 20.02.2017 in Video
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