Interview Allein im "Nazidorf" Jamel - ein Ehepaar leistet Widerstand
Interview Allein im "Nazidorf" Jamel - ein Ehepaar leistet Widerstand
Umzingelt von Neonazis: Für Birgit und Horst Lohmeyer ist das Alltag. Das Ehepaar lebt im „Nazidorf“ Jamel (Mecklenburg-Vorpommern), das fast vollkommen von Neonazis bewohnt wird. Im Video sprechen die Lohmeyers über ihr schwieriges Leben in Jamel, Anfeindungen – und erklären, warum sie mit ihrem Musik-Festival „Jamel rockt den Förster“ trotzdem jedes Jahr ein lautes Zeichen gegen Rechts setzen.
Bevor man das beschauliche Dorf Jamel erreicht, sieht man lange Zeit nichts außer Bäumen und Wiesen. Irgendwo in Mecklenburg-Vorpommern liegt das als „Nazidorf“ verschriene Jamel. Als Birgit und Horst Lohmeyer 2004 dort einen alten Forsthof erwerben, gab es nur den einen mehrfach verurteilten Neonazi Sven Krüger in dem Dorf. Doch über die Jahre hat Krüger immer mehr Immobilien in Jamel gekauft und Sinnesgenossen angesiedelt. Heute leben neben dem Ehepaar Lohmeyer nur noch drei andere Familien, die sich nach Aussagen der Lohmeyers komplett bedeckt halten, in dem „Nazidorf“.
Brandstiftung: 2015 brennt die Scheune der Lohmeyers nieder
Und das hat gute Gründe. Wer sich, wie die Lohmeyers, die jedes Jahr ein Musik-Festival gegen rechts „Jamel rockt den Förster“ organisieren, gegen die Neonazis stellt, bekommt Probleme. 2015 wird die Scheune, die nicht weit vom Wohnhaus der Lohmeyers steht, angezündet. Sie brennt komplett nieder. Die Polizei stellt Brandstiftung fest. Birgit und Horst Lohmeyer wollen sich trotzdem nicht unterkriegen lassen. Sie wollen nicht aus Jamel weg. Sie wollen Jamel mit ihrem Musik-Festival positiv verändern. „Wenn wir nur zwei, drei von den Nazi-Kids vielleicht nur zum Nachdenken bringen, auf welcher Seite sie sich eigentlich wohler fühlen würden, dann haben wir schon viel gewonnen“, so Birgit Lohmeyer.
Im „Nazidorf“ Jamel bestimmen Neonazis das Dorfbild
Die bekennenden Nazis zumindest machen nicht den Anschein, das Dorf aufzugeben. Ganz im Gegenteil: Sie fühlen sich wohl und machen keinen Hehl aus ihrer radikalen Einstellung. So steht in dem Ort beispielsweise ein Wegweiser, der unter anderem nach Braunau am Inn – dem Geburtsort Adolf Hitlers – zeigt. Direkt daneben steht ein großes Wandgemälde, das zeigt, wie sich die rechte Dorfgemeinschaft eine deutsche Familie vorstellt. Vater, Mutter, Kind – umschlossen von einem Adler. Immer wieder finden große Neonazi-Treffen in der Ortschaft statt.
Der dbate-Beitrag wurde u.a. mit Videomaterial von Martin Groß erstellt. Mehr Infos zu Martin Groß findest Du hier.
Veröffentlicht am: 24.08.2017 in Interview
Related Videos
Jamel: Widerstand gegen rechts
Inmitten der malerischen Landschaft Mecklenburg-Vorpommerns liegt das kleine Dorf Jamel. Doch die Idylle trügt: in dem Ort leben viele Nazis, sie haben hier eine „national befreite Zone“ ausgerufen. Doch seit 2007 regt sich Widerstand: eine aus Hamburg zugezogene Familie organisiert ein Musikfestival gegen die Nazis.
"Ich trage doch keinen Sprengstoffgürtel" - Michel Abdollahi
Eines hat Michel Abdollahi ganz sicher nicht: Berührungsängste. Kaltschnäuzig, frech und immer mit einer Prise Humor macht der NDR-Journalist seinen Job. Und den macht er offensichtlich gut. Für seine viel beachtete Reportage "Im Nazidorf" aus dem mecklemburgischen Jamel und für seine provokanten Straßenumfragen ("Ich bin Muslim. Was wollen Sie mir sagen?") ist Abdollahi 2015 mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet worden. Wir haben mit ihm über den Islam, Dialog mit Nazis und fehlende Haltung von Journalisten gesprochen.
25 Jahre nach Lichtenhagen: Wie rechts ist Deutschland heute?
2017 jähren sich die Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen zum 25. Mal. Ende August 1992 hatten Rechtsextreme das sogenannte "Sonnenblumenhaus" mit Molotowcocktails in Brand gesetzt - unter dem Beifall Hunderter Zuschauer. Wie rechts ist Deutschland heute? Julian Barlen (SPD) von "Storch Heinar" und "Endstation Rechts" hat Antworten.
Ehepaar Lohmeyer vs. Neo-Nazis
Horst und Birgit Lohmeyer geben nicht auf. Jedes Jahr stellen sie das „Forstrock Festival – für eine bunte Welt“ auf die Beine, um Jamel zumindest für kurze Zeit in einen weltoffenen Ort zu verwandeln. Obwohl noch vor wenigen Wochen Rechtsextreme einen Brandanschlag auf ihre Scheune verübten, kämpfen sie unermüdlich weiter gegen Rechtsextremismus. Die Toten Hosen unterstützen das Engagement der Lohmeyers und das „Forstrock Festival“ durch ihren Auftritt. Unmissverständlich singen sie aus voller Kehle: „You´ll never walk alone.“
Überraschung in Jamel: Die Ärzte rocken gegen Rechts
Wo Haltung wichtiger ist als die Gage: das Trio "Die Ärzte" zeigten Flagge gegen Rechts und traten überraschend bei einem Festival in Jamel (Mecklemburg-Vorpommern) auf. Jamel machte vor Jahren als "Nazi-Dorf" Schlagzeilen. In Jamel wohnt das Ehepaar Lohmeyer, die das jährliche Anti-Rechts-Festival organisieren.
"Sowas habe ich noch nie erlebt" - LINKE-Politikerin zu Neonazi-Konzert in Themar
6.000 Neonazis feiern ausgelassen bei einem Rechtsrock-Festival im thüringischen Themar – "Heil"-Rufe und Hitlergruß inklusive. Deswegen ermittelt nun die Polizei, die während des Festivals nicht eingegriffen hatte. Doch die Diskussion geht noch viel weiter: Was muss unsere Gesellschaft eigentlich aushalten? dbate-Interview mit Katharina König-Preuss (LINKE-Abgeordnete in Thüringen), die als Parlamentarische Beobachterin vor Ort war.
Charlottesville: Trump beschimpft die Medien – schon wieder!
Fake, Fake, Fake: Bei einer Rede vor Anhängern in Phoenix (US-Bundesstaat Arizona) hat US-Präsident Donald Trump die Medien wieder einmal scharf angegriffen. Anlass war die Berichterstattung über seine Äußerungen zur Eskalation in Charlottesville. Trumps Äußerungen waren von vielen Medien, aber auch von Politikern - sogar aus Reihen der Republikaner - heftig kritisiert wurden.
Hitlergruß als Handicap: humorvolles Video gegen Rechts
Wenn der Hitlergruß zum Handicap wird. Dieses witzige Video gegen Rechts vom Verein "Gesicht Zeigen!" zeigt, wie schwer Nazis es wirklich haben...
Mehr Videos aus dem Bereich Interview
Terrorismus-Experte Ul-Haq erklärt die neue Strategie des IS
Ob in Nizza, Paris, Berlin oder London: immer mehr Anschläge des sogenannten Islamischen Staates erschüttern Europa. Weil der IS in Syrien und im Irak seit Monaten an Boden verliert, scheint die Terrororganisation nun ihre Strategie zu ändern. Ein Interview mit Journalist und Terrorismus-Experte Shams Ul-Haq über die neuen Methoden des IS und die Frage, wie man die radikalen Islamisten besiegen kann.
"Muslime müssen sich stärker distanzieren!" - Homosexueller zu Orlando-Terror
Mit mindestens 50 Toten und ebenso vielen Verletzten war es der schlimmste Terror-Anschlag in den USA nach 9/11. Und es war ein gezielter Angriff auf Homosexuelle. Ein bewaffneter Mann, der dem IS die Treue geschworen haben soll, hat mit einer Schnellfeuerwaffe im Schwulen-Club "Pulse" ein Massaker angerichtet. Wie reagieren Homosexuelle in den USA auf den Terror? Interview mit dem in Washington D.C. lebenden homosexuellen Artem Gorbunov.
"Wir brauchen die EU" - Tony Blair über einen Brexit
"Wir müssen offen für die Welt sein" - schon 2012 fand Tony Blair deutliche Wort. Sollte sich Großbritannien für einen Brexit entscheiden, würden die Briten diese Entscheidung noch Jahrzehnte bereuen - und anschließend versuchen, wieder Mitglied der Europäischen Union zu werden. dbate.de zeigt exklusiv das komplette Blair-Interview über britischen Nationalismus, Ängste und Probleme in der EU.
"Prince tanzte vor mir" – Tom Glagow über eine Nacht mit Prince
Es war ein lauer Spätsommerabend, der 31. August 1988. Da spielte der kleine-große Rockmusiker im Hamburger Millerntorstadion. Dort, wo sonst der FC St. Pauli seine Heimspiele austrug. Anwohner beschwerten sich scharenweise wegen des Lärms. Aber die, die Prince wirklich zuhörten, waren begeistert.
Ehefrau von Blogger Badawi: "10 Jahre Haft wegen einer Website?"
1000 Stockhiebe, zehn Jahre Haft und eine hohe Geldstrafe: das drastische Urteil für den islamkritischen Blogger Raif Badawi wurde gerade durch das oberste Gericht des Landes bestätigt!
Diederichsen über Bowie: Kein Rock´n´Roll Suicide
Diederichsen über Bowie: "Er war einer der 4, 5 Figuren, die Popmusik definiert haben. Und von den anderen sind auch nicht mehr allzu viele am Leben".