Artikel Trump: Sieg des Populismus - Niederlage des Journalismus

Artikel Trump: Sieg des Populismus - Niederlage des Journalismus

Kommentar von Stephan Lamby

Viele Kollegen werden heute starke Zweifel bekommen haben. Zweifel an den USA, an der Welt – vor allem Zweifel an sich selbst.

Als Donald Trump im Juni 2015 bekannt gab, dass er für das Amt des US-Präsidenten kandidiert, da haben viele Journalisten geschrieben: „Der Mann hat keine Chance!“. Und viele, die es nicht geschrieben haben, haben so gedacht. Auch ich habe so gedacht. Sie alle haben sich getäuscht, wir haben uns getäuscht (auch die hochprofessionellen Meinungsforschungsinstitute lagen mächtig daneben). Man kann die falschen Prognosen als Fehleinschätzung abtun, als Betriebsunfall der journalistischen Klasse. Und klar, das war es auch. Aber hinter der Verkennung der gesellschaftlichen und politischen Realitäten zuerst in Großbritannien (Brexit) und jetzt in den USA (Trump) steckt mehr.

Zunächst: In diesen Monaten kommt gefährliches Wunschdenken vieler professioneller Politikbeobachter zum Vorschein. Ein Wahlsieg von Donald Trump war im Jahr 2015 in vielen Redaktionen „out of reach“, fern ihrer Vorstellungskraft. Entsprechend wurde Trump in Artikeln und TV-Sendungen nur als Clown karikiert, als politisches Phänomen zu lange nicht ernst genommen.

Trumps Sieg ist eine Niederlage für den klassischen Journalismus

Viel schwerer wiegt jedoch: Nahezu alle etablierten Medien in den USA (Print, TV, Radio, Online) haben nach Trumps Siegeszug in den Vorwahlen im Frühjahr 2016 ausführlich über den Kandidaten berichtet – mit Enthüllungen, mit Analysen, mit Kommentaren. Und nahezu alle journalistischen Arbeiten haben sich kritisch mit Donald Trump auseinandergesetzt – mit Trumps Rassismus, mit Trumps Geschäften, mit Trumps Nähe zu Putin, mit Trumps üblem Verhältnis zu Frauen. An Warnungen von etablierten Journalisten hat es also nicht gefehlt. Nur: Sie blieben ohne große Wirkung. Mit anderen Worten: Journalismus hat erheblich an Kraft verloren – an analytischer, aufklärerischer Kraft. Die plumpen Sprüche von Polit-Entertainern in Großbritannien und den USA – Mutterländer der Demokratie – beeindrucken Bürger inzwischen mehr als klug recherchierte und formulierte Berichte von Journalisten.

Und Donald Trump hat sich der aufklärenden Wirkung des Journalismus längst selbst entzogen. Mit seinen 13,3 Millionen Twitter-Followern kann er direkt kommunizieren, ohne den für ihn so lästigen Filter von Journalisten. Die klassischen Medien hat Trump bislang nur als PR-Plattform genutzt – ihre kritischen Fragen und Kommentare verpufften.

Trumps Sieg ist eine Niederlage für den klassischen Journalismus. Viele Bürger – auch in Deutschland – werden sich bestätigt fühlen, weil sie ihre Weltsicht nicht mehr angemessen in Zeitungen, TV, Radio und etablierten Online-Medien wiederfinden. Bestätigung finden sie inzwischen eher in ihren Communities der Sozialen Medien, wo sie der Recherche und Analyse von Journalisten leicht entkommen können, auch der abwägenden Sprache von Journalisten. Die Entfremdung von Mainstream-Medien geht weiter.

Wir Journalisten müssen uns also noch stärker als bislang in Frage stellen. Warum liegen wir mit unseren Einschätzungen daneben? Warum verliert unsere Arbeit an Wirkung?

Doch gerade jetzt ist es wichtig, an den Grundprinzipien von gutem Journalismus festzuhalten: Recherche, Analyse, Aufklärung – auch in Sozialen Medien. Guter Journalismus muss seine Leser, Zuschauer, Hörer wieder erreichen. Er wird dringend gebraucht.

Veröffentlicht am: 09.11.2016 in Artikel

  • Villiper

    Nur Menschen mit einer fundierten (auch politischen) Bildung sind überhaupt in der Lage, den Wert von gutem Journalismus zu erkennen. Setzt Euch noch viel stärker für eine echte Chancengleichheit im Bildungswesen ein. Nur so sorgt Ihr dafür, dass Eure Kundenschar wächst.

  • Duke Hoyer

    das war keine niederlage des guten , klassischen journalismus . und zwar aus einem ganz einfachen grund : es hat ihn gar nicht gegeben , er findet seit jahren nicht mehr statt , weder in amerika , noch hier in deutschland . die medien – dort wie hier – liegen in der hand von 5 grosskonzernen/-familien und sie alle sind eng mit der herrschenden klasse und der jeweiligen regierung verknüpft auf verschiedene arten . nichts systemkritisches kommt da , nichts im sinne des bürgers , nichts gegen noch so schwachsinnige äusserungen der etablierten parteien und politiker , nichts gegen eine völlig schwachsinnige und selbstzerstörerische politik . die – angeblichen – journalisten sind genauso weit vom volk entfernt wie die politiker selbst und machen frewillig bei jedem mist mit wenn er nur politisch korrekt ist . und was noch schlimmer ist : sie hinterfragen deswegen auch die abwegigsten prognosen nicht , obwohl sie genau wissen müssten , dass diese meinungsforschungsinstitute im auftrag “ forschen “ und von den regierenden bezahlt werden . dieser journalismus hat genau wie diese politiker seinen untergang verdient und ihn selbst mit seiner hündischen dienstbarkeit zu verantworten .

    • Lanz

      Sehr wahr !!
      Ich schalte das Radio fast ab!

      Allein der Schund der an Silvester in D los war,
      Wer glaubt den Medien denn noch ??

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