Interview Reporter ohne Grenzen: "Pressefreiheit auch in Demokratien bedroht"
Interview Reporter ohne Grenzen: "Pressefreiheit auch in Demokratien bedroht"
Die Lage für Journalisten hat sich weltweite verschlechtert. Pressefreiheit wird weiter eingeschränkt – zunehmend auch in Demokratien. Das kritisiert die Organisation Reporter ohne Grenzen in ihrem Jahresbericht. Deutschland bleibt unverändert auf Platz 16 von 180 Ländern. Doch auch hierzulande seien Journalisten zahlreichen Gefahren ausgesetzt, so der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen Deutschland, Christian Mihr, im Interview.
Deshalb ist Pressefreiheit zunehmend auch in Demokratien bedroht
Warum ist die Pressefreiheit weltweit rückläufig? Einerseits sei zu beobachten, dass mehr Staaten – siehe Jemen oder Syrien – zerfallen. „Pressefreiheit ist ein Menschenrecht und Menschenrechte sind eine Vereinbarung zwischen Staaten“, so Christian Mihr. Das Problem: Dort, wo keine Staaten mehr existierten, könne man auch keine Menschenrechte einfordern. Andererseits würde Pressefreiheit weltweit – zunehmend auch in Demokratien – durch „ausufernde Überwachungsgesetze“ und „eine grundsätzliche Infragestellung von Journalismus als gesellschaftliche Aufgabe“ eingeschränkt.
Reporter ohne Grenzen: „Die Türkei ist irgendwas zwischen Demokratie und Diktatur“
Jüngst hat der Fall um den in der Türkei inhaftierten WELT-Journalisten Deniz Yücel Aufsehen erregt. Wohin entwickelt sich die Türkei? „Die Türkei ist irgendwas zwischen Demokratie und Diktatur“, sagt Reporter ohne Grenzen-Geschäftsführer Mihr. In dem NATO-Mitgliedsstaat seien allein nach dem Putschversuch im Juli 2016 knapp 150 Journalisten inhaftiert und 800 Journalisten die Presseausweise entzogen worden. Über 150 Medien seien von der AKP-Regierung geschlossen worden. Kann man da überhaupt noch von Pressefreiheit sprechen? „Wenn wir sagen würden, die Pressefreiheit sei tot, dann würden wir sowohl der AKP und Präsident Erdogan einen Gefallen tun und den Journalisten, die in der Türkei noch an Pressefreiheit glauben in den Rücken fallen“, mahnt Mihr.
Auch Deutschland sollte nachbessern
Doch auch in Deutschland ist die Situation nicht perfekt. Im internationalen Vergleich von Reporter ohne Grenzen schafft Deutschland den Sprung unter die Top 10 nicht. Wo muss nachgebessert werden? Einerseits müsse die staatliche Überwachung von Pressevertretern, beispielsweise durch Geheimdienste, verringert werden. Dadurch werde der „Quellenschutz“, ein Grundprinzip des Journalismus, ausgehöhlt. Außerdem seien Journalisten hierzulande zu häufig Gewalt ausgesetzt. Überwiegend sei das Gewalt von rechts – „dort, wo über Neonazis oder auch AfD-Kundgebungen berichtet wird“. Fördert die AfD mit ihrer Agitation Gewalt gegen Journalisten? „Man kann schon sagen, dass sie zumindest ein Klima fördert, in dem das offenbar möglich ist“, sagt Mihr dazu im dbate-Interview.
Rangliste der Pressefreiheit 2017
Die skandinavischen Länder (Norwegen, Schweden, Finnland) nehmen die ersten Plätze der Rangliste ein. Deutschland belegt wie im Vorjahr den 16. Platz. Die USA landen nur auf Platz 43. Die Türkei rutscht weiter auf Platz 155 ab. Eritrea hat sich um einen Punkt verbessert und ist seit zehn Jahren nicht mehr das Schlusslicht. Den letzten Platz nimmt jetzt Nordkorea ein. Mehr Infos zur Rangliste der Pressefreiheit gibt‘s hier.
Veröffentlicht am: 02.05.2017 in Interview
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