Artikel Schlafe gut, Maradona!
Artikel Schlafe gut, Maradona!
Eine kleine Erinnerung an einen großen Fußballer
von Stephan Lamby
Im Jahr 2003 war ich für ein paar Tage auf Kuba. Es ging um einen Film über den Máximo Lider, Fidel Castro. Ich verbrachte die Zeit in Archiven, führte Interviews, fuhr ein wenig auf der Insel herum. Da erfuhr ich, dass auch Diego Maradona auf Kuba war. Diego Maradona, was machte der denn hier? Dass Maradona ein Freund von Fidel Castro war, wusste ich. Auch dass er sich der kubanischen Revolution irgendwie verbunden fühlte, war bekannt, Maradona hatte ein fettes Tattoo von Ché Guevara auf dem rechten Oberarm. Aber ich fand schnell heraus, dass Maradonas Aufenthalt keine politischen Gründe hatte, sondern sehr persönliche, ja gesundheitliche. Er war am Stadtrand von Havanna in einer Villa untergebracht, jemand gab mir die Adresse, ich fuhr hin.
In diesen Jahren gab Maradona nur äußerst selten Interviews; vielleicht langweilt er sich ja und spricht mit mir, dachte ich. Maradonas Villa lag in einem Park, ein paar Schritte davor ein Wächter, der in seinem Häuschen die Personalien der Besucher kontrollierte. Bald dämmerte mir, Maradona war hier nicht zum Vergnügen, er war wegen eines Drogenentzugs auf Kuba, weit weg von seiner Heimat Argentinien. Es muss am späten Vormittag gewesen sein, als ich bei dem Wächter vor Maradonas Haus ankam, ich bat ihn, Maradona anzurufen und meinen Besuch anzukündigen. Heraus kam aber nicht Maradona, sondern eine Art persönlicher Sekretär, ein freundlicher Argentinier, der etwas überrascht war, dass ich vom eigentlich geheimen Aufenthalt seines Chefs erfahren hatte. Der Sekretär bat mich, mein Anliegen in einem kurzen Brief niederzuschreiben. Ich schrieb ein paar Zeilen, der Mann nahm den Zettel und verschwand. Einige Zeit später kam er zurück und sagte, Maradona würde schlafen, ich möge bitte warten. Okay, ein, zwei Stunden würde ich Geduld haben, dann musste ich ins Stadtzentrum von Havanna zurück.
Nichts tat sich. Mittags ließ ich den Wächter wieder anrufen. Maradonas Sekretär kam prompt, leider mit derselben Entschuldigung: Diego Maradona schläft, bitte haben Sie Geduld. Einige Stunden später, das gleiche Spiel, ich wurde ungeduldiger, rief ein weiteres Mal an, wieder erschien Maradonas Mitarbeiter. Er sagte, Maradona sei kurz wach gewesen, er habe ihm meinen Brief gegeben, aber jetzt – bitte haben Sie Verständnis – hält Diego Maradona Siesta. Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich abgewimmelt werden sollte, das zu tun wäre einfacher gewesen, ziemlich sicher schlief Maradona tatsächlich die ganze Zeit. Der jahrelange Drogenkonsum, das aufreibende Leben zwischen Europa und Südamerika, all das hatte tiefe Spuren hinterlassen. Es war dunkel geworden, irgendwann am späten Abend startete ich einen letzten Versuch. Der Sekretär kam – es war ihm sichtlich unangenehm – und entschuldigte sich freundlich, sein Chef würde heute nicht mehr für ein Interview zur Verfügung stehen. Es sei zu spät, Maradona müsse die Nacht über schlafen.
Einen kompletten Tag hatte ich gewartet, nur wenige Meter von Maradona entfernt, ohne ihn zu Gesicht zu bekommen, natürlich auch ohne das erhoffte Interview. Zeit, meine kleine Niederlage einzugestehen. Der Mann, den ich so gerne sprechen wollte, hatte offenkundig größere Probleme. Ich rief ein Taxi und verabschiedete mich von dem Wächter.
Schlafe gut, Diego Armando Maradona.
Veröffentlicht am: 25.11.2020 in Artikel
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