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Türkei-Korrespondentin: „Da hört der Spaß bei vielen Türken auf“

kype-Interview mit Kristina Karasu, Türkei Korrespondentin

Präsident Erdogan ist kein Verfechter der Kunstfreiheit und Böhmermanns satirisches Gedicht wird das vermutlich nicht ändern! Im Gegenteil: „Es spielt Erdogan in die Karten und bestätigt das Gefühl vieler Türken vom Westen nicht ernst genommen zu werden“. Davon ist jedenfalls die freie Journalistin Kristina Karasu aus Istanbul überzeugt.

Seit Erdogans Amtseintritt im August 2014 gab es fast 2000 Prozesse wegen Präsidentenbeleidigung. Dabei sind nicht nur Journalisten und Satiriker von Erdogans Selbstverständnis betroffen, sondern auch türkische Bürger. Ein einfacher Tweet oder Post auf Facebook kann da schon ausreichen. Die Gefängnisstrafe wird zwar meist auf Bewährung ausgesetzt, „aber viel schlimmer ist die Hetzkampagne der regierungsnahen Medien“, so die Türkei-Korrespondentin. „Genau deshalb ist die Selbstzensur in der Türkei sehr groß!“. Selbst vehemente Regierungskritiker wählen ihre Worte mit Bedacht um ihre Arbeit fortsetzen zu können.

Erdogans Strafanzeige gegen Jan Böhmermann ist laut Karasu ein „Versuch sein Medienverständnis auf Europa und Deutschland zu übertragen.“ Vor allem ausländische Journalisten stehen bei Präsident Erdogan und den ‚Staatsmedien‘ unter Generalverdacht, seinem Ansehen schaden zu wollen. Die Tatsache, dass die EU sich von Erdogan in der Bewältigung der Flüchtlingskrise abhängig gemacht hat, nutzt Erdogan nun aus. „Endlich hat er was gegen die EU in der Hand“, so Karasu. Und die Reaktion der Bundesregierung bestätigt das leider.

Kristina Karasu ist seit Mai 2010 freie Journalistin und arbeitet u.a. für Deutsche Welle, ZDF, ARTE, ORF. Seit Februar 2014 ist sie zudem Türkei-Korrespondentin der europäischen Presseschau euro|topics. Im Interview mit Marta Werner spricht die freie Journalistin aus Istanbul über Erdogans Medienverständnis und die Selbstzensur.