Artikel Bilder des Terrors - Ein Kommentar

Artikel Bilder des Terrors - Ein Kommentar

Ein Kommentar von Stephan Lamby

Darf man als Augenzeuge Videos von einem Terroranschlag machen? Darf man solche Videos veröffentlichen? Der Anschlag von Nizza hat – mal wieder – fundamentale Fragen aufgeworfen: über das Verhältnis von Nachricht und Bild, über die Würde von Opfern, über Sensationslust in Zeiten von Klick-Journalismus.

In der Nacht des 14. Juli 2016 haben innerhalb kürzester Zeit Menschen rund um den Globus von dem Anschlag in Nizza erfahren – nicht aus der Zeitung, oftmals nicht aus dem Fernsehen. Viele Zeitungskollegen hatten längst Redaktionsschluss und auf vielen TV-Kanälen liefen Spielfilme oder Talkshows. Die Menschen erfuhren über Soziale Medien von den Ereignissen – über Facebook, Twitter, YouTube. In den ersten Stunden waren Soziale Medien für viele Menschen tatsächlich die erste – lange Zeit die einzige – Informationsquelle. Und die Sozialen Medien wurden vor allem durch Augenzeugen-Berichte und -Videos aus Nizza gespeist.

Hintergrundinformationen gab es anfangs kaum, eine Einordnung war somit noch nicht möglich. In diesen Stunden war es völlig legitim, die Aufnahmen von Augenzeugen zu verbreiten – solange die Bilder nicht die Würde der Opfer verletzten. Die Würde des Opfers kann etwa dann verletzt werden, wenn ein Opfer als Individuum erkennbar ist.

Augenzeugen-Videos vom Terror in Nizza

Viele Augenzeugen in Nizza nahmen Videos offenkundig nicht in der Absicht auf, ein Opfer bloßzustellen. Viele taten es, um ihre Eindrücke anderen mitzuteilen – vielleicht auch, um auf diese Art ihren Schock, ihr Trauma zu verarbeiten. Der Reflex, seine Eindrücke anderen mitzuteilen, ist nur allzu menschlich – und ebenso legitim wie der Versuch, ein schreckliches Ereignis künstlerisch zu verarbeiten. Noch in der Nacht veröffentlichte jemand über Twitter ein Aquarell der Promenade von Nizza – in den französischen Nationalfarben, das Rot wie eine große Blutlache dargestellt. Auch die Herstellung dieses Bildes ist eine legitime Form der Verarbeitung. Aber eben nicht die einzig legitime.

Darf man Augenzeugen-Videos als Online-Medium verbreiten? Ja, wenn ihre Echtheit feststeht. Ja, wenn sie einen Nachrichtenwert haben. Und ja, wenn man – nach Recherche und Analyse – diese Videos einordnet. Nachrichten müssen – auch mit Bildern – schnell verbreitet werden. Recherche und Analyse brauchen dagegen Zeit.

(Bild via Le Monde)

Veröffentlicht am: 15.07.2016 in Artikel

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